Trends in Medieval Philology
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Herausgegeben von:
Ingrid Kasten
, Niklaus Largier und Mireille Schnyder
Die Buchreihe Trends in Medieval Philology nimmt zentrale Themen der aktuellen mediävistischen Forschungsdebatte auf und gibt wegweisenden Forschungsdiskursen einen Ort in der Fachliteratur. Sie versteht sich als ein interdisziplinär ausgerichtetes Forschungsforum mit höchstem Qualitätsanspruch. Die Reihe bietet besonders auch jüngeren und internationalen Forscher:innen und Forschergruppen die Möglichkeit, innovative Studien und Diskussionen der Fachwelt zu präsentieren.
Der interdisziplinäre Band fragt nach dem Stellenwert von formeller wie informeller Beratung und Beschlussfindung in Mittelalter und Frühneuzeit. Dazu rekonstruiert er historische Vorstellungen von gelingendem wie scheiterndem Rat in literarischen Entwürfen.
Beratung ist ein zentrales Instrument öffentlicher wie privater Konsens- und Beschlussfindung. Ihre Funktionen und Leistungen betreffen nicht nur eine sachliche, sondern auch eine soziale Dimension. Besonders in den locker organisierten Personen- und Herrschaftsverbänden der Vormoderne konnte öffentlich sichtbare Beratung Konsens fördern, konnten Ratsversammlungen den Einzelnen ins Kollektiv integrieren und dieses stabilisieren. Entsprechend entwerfen literarische Texte der verschiedenen Volkssprachen eine Vielzahl von Szenen formeller wie informeller Beratung, die aber in der literaturwissenschaftlichen Forschung bislang nur eher punktuelle Aufmerksamkeit geweckt haben.
Die Beiträge des Bandes aus den Bereichen Germanistik, Romanistik, Anglistik und Theaterwissenschaft verbinden in komparatistischer Perspektive textnahe Analysen mit systematischen Überlegungen und bieten für Literatur- und Geschichtswissenschaften, aber auch für eine historisch informierte Soziologie Impulse.
In den bisherigen Entwürfen einer Literatur- und Kulturgeschichte des Neids gilt das späte 18. Jahrhundert als Wendepunkt: Während mittelalterliche Theologen Neid als Sünde des Teufels verurteilt hätten, funktioniere die Distinktionsemotion in der Moderne als Instrument der Reflexion des Sozialen. Dieses Narrativ widerlegt die vorliegende Studie, indem sie anhand mittelhochdeutscher und lateinischer Texte des 12. und 13. Jahrhunderts nachweist, dass das Erzählen von Neid zur Verhandlung höfischer Ordnung genutzt wird. Ausgehend von einer differenzierten Betrachtung der evaluativen, relationalen, motivationalen und deutenden Dimension von Neid kommt die Studie zu drei Ergebnissen: Erstens stört Neid die höfische Ordnung nicht nur, ihm kommen trotz des Status als Hauptsünde auch ordnungsbewahrende Funktionen zu. Zweitens wird Neid in den Narrationen als Form strategischen Erzählens zur Rezeptionslenkung eingesetzt. Drittens trägt das Erzählen von Neid dazu bei, die Bruchstellen einer auf Gunst basierenden Herrschaftsordnung aufzuzeigen und Veränderungen am Hof zu legitimieren. Auf diese Weise leistet die Studie einen wichtigen Beitrag sowohl zur Debatte um die Neubewertung negativer Emotionen als auch zur historischen Narratologie.
Die Studien des Bandes beleuchten Phänomene des Wettkampfs von der Spätantike bis zum Spätmittelalter aus verschiedenen Disziplinen der Mediävistik – von der Geschichtswissenschaft und Kunstgeschichte über die Altgermanistik bis zur Anglistik und Latinistik. Im Zentrum steht die Frage nach ihren riskanten Potentialen: Inwiefern setzen agonale Formen und Praktiken der Vormoderne die Ordnungen aufs Spiel, die sie produzieren? Diese Spannung von produktiven und destruktiven Dimensionen verfolgen die Beiträge in unterschiedlichen Gattungs-, Sprach- und Diskurszusammenhängen: an den Wettkampfbeziehungen lateinischer Streitgedichte und Heiligenviten, höfischer Spieldidaktik und ihrer Ikonographie, an Antikenromanen, Artusromanen und Bearbeitungen des Tristan-Stoffs, an Märendichtungen sowie der Praxis höfischer und urbaner Literaturspiele.
Die Monografie verbindet Ansätze der germanistischen Mediävistik mit Perspektiven aus der Geschichtswissenschaft, der Rhetorikforschung und der politischen Philosophie. Sie schlägt ein heuristisches Modell vor, das zwischen Darstellung, Repräsentation und Praxis als Untersuchungsdimensionen politischer Oratorik unterscheidet. So wird deutlich: Anders als vielfach angenommen, bricht die Tradition politischer Rede nach der Antike nicht ab – sie entwickelt genuin mittelalterliche Formen.
Seit dem Spätmittelalter besaß das Theater in Europa eine solche Breitenwirkung, dass es als vormodernes Massenmedium gilt. Trotz dieses Befunds fehlen bisher Untersuchungen, die die kommunikativen Strategien der Spiele über Landes- und Sprachgrenzen hinweg systematisch analysieren. Die vorliegende Studie greift dieses Desiderat auf, indem sie zentrale Persuasionsstrategien in deutsch- und französischsprachigen religiösen Spielen (Passionsspiele, eschatologische Spiele) des 14. bis 16. Jahrhunderts ermittelt. Sie präsentiert eine innovative Methodik für komparatistische Analysen des vormodernen Theaters, die den etablierten, aber beschränkten historisch-genetischen Ansatz ergänzt und auch auf andere Kommunikationsformate anwendbar ist. Ausgehend von einem semiotischen Zugriff wird das Schauspiel als ein multimodales Zeichensystem analysiert. Davon ausgehend untersucht die Studie in transnationaler Perspektive die Konstruktion und Funktion antijüdischer und antiprotestantischer Topoi und Stereotype sowie Autorität als Legitimationsmechanismus. Die Ergebnisse erlauben eine Neuperspektivierung bisheriger einzelphilologischer Studien und weisen einen Weg für künftige komparatistische Analysen in der internationalen Mediävistik
Indem narrative Texte Welten entfalten, entwerfen sie auch Ordnungen. Darüber hinaus müssen sie im Erzählen ordnungshaft gestaltet sein, so dass der Begriff der 'Ordnung' in Anwendung auf Erzähltexte in doppelter Hinsicht relevant ist: als Ordnung(en) des Erzählens wie auch als erzählte Ordnung(en). 'Ordnung' wird dabei als dynamisches Konzept verstanden, das nur in seiner Pluralität zu fassen sowie stark an die gesellschaftlichen Aktionsräume seiner Aushandlung rückgebunden ist. Denn Ordnungen zielen u. a. darauf, Gemeinschaft zu stiften und zu organisieren, Wahrnehmung zu formen, Bedeutung zu generieren, Sinnangebote zu machen sowie Wissen zu ermöglichen. Demnach lassen sich die in erzählten Welten entworfenen Ordnungsvorstellungen als spezifischer Ausdruck kulturellen Wissens lesen. Primäres Interesse des Bandes ist es, 'Ordnung' als Kategorie narratologischer Analyse zu erproben und über die im Titel benannte Doppelformel zu erfragen, inwiefern über ordnungshaftes Erzählen in Texten des Mittelalters und der Frühen Neuzeit Ordnungsvorstellungen von Gesellschaften produktiv verhandelt werden und in welcher Form Erzählliteratur somit beanspruchen kann, an der Bildung soziokultureller Welt Teil zu haben.
Monströse Figuren spielen in mittelalterlichen Texten eine große Rolle, ihre Relevanz und insbesondere Funktionsweise als poetologische Reflexionsfiguren ist allerdings bisher nicht umfassend betrachtet worden. Anhand dreier mittelhochdeutscher Romane (Hartmanns von Aue Iwein, Heinrichs von dem Türlin Crône und Johanns von Würzburg Wilhelm von Österreich) wird die selbst- und literaturreflexive Dimension von monströsen Figuren herausgearbeitet. Die Polyfunktionalität von Monstern auf den verschiedenen Ebenen zwischen Handlung und Poetologie wird in Engführung von mittelalterlichen philosophisch-theologischen Diskursen und modernen medientheoretischen Ansätzen beschreibbar gemacht. Dazu wird ein Close Reading mit der Analyse intra- und intertextueller Bezüge und kulturwissenschaftlicher Dimensionen verbunden.
Die Arbeit bietet Neulektüren zentraler Texte der Altgermanistik und leistet einen Beitrag zur Frage nach mittelalterlicher Theoriebildung und ihrer modernen Beschreibbarkeit.
Die Arbeit analysiert die vielfältige Darstellung medialer Prozesse in zwei spätmittelalterlichen ,Liebes- und Abenteuerromanen‘: Reinfried von Braunschweig und Apollonius von Tyrland. Mit dem Interesse an Medialität schließt sie an einen aktuellen Forschungsschwerpunkt der germanistischen Mediävistik an, durch die Auseinandersetzung mit erzählten medialen Vorgängen setzt sie einen originellen Fokus im Forschungsfeld. Medientheoretisch fundiert und historisch sensibel widmet die Untersuchung sich in close-readings den medialen Formen, die auf der Textebene in Erscheinung treten und mithilfe derer die Figuren Raum-, Zeit-, und Sphärengrenzen kommunikativ überwinden. Beide Texte heben die durch mediale Vorgänge eröffneten Handlungsmöglichkeiten sowie die Relevanz von Medienkompetenz hervor und profilieren literarische Texte selbst als mediale Formen mit besonderen Vermittlungspotentialen. Indem erzählte Mediation jeweils zur Entfaltung narrativer Komplexität und Tiefe genutzt wird, erweist sich in der vergleichenden Betrachtung der Blick auf mediale Phänomene auch als Schlüssel zu der inhaltlichen Schwerpunktsetzung und dem erzählerischen Profil der Einzeltexte.
Der Vater-Tochter-Inzest gehört zum Kernbestand kultureller Tabus und ist zugleich ein ausgesprochen produktives Thema in der Literatur. Die Studie widmet sich der Zeit von 1200 bis 1600, in der Inzest aus kirchenrechtlicher Perspektive primär juridische und theologische Fragen tangiert, und richtet ihren Fokus auf die in der Mediävistik bisher nur rudimentär behandelte Verknüpfung von Inzest und Emotion, die über den Tabubegriff in Verbindung gebracht werden. Die Untersuchung fragt anhand ausgewählter biblischer und antiker Stoffe und ihrer Rezeption nach der Rolle von Emotionen und Strategien der Tabuisierung, so dass in einem komparatistisch angelegten close reading Tabuisierungs- und Emotionalisierungstendenzen evident werden. Auf diesem Weg gelingt es, auf einer breiten Datenbasis nachzuweisen, dass Emotionen in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Erzählungen vom Vater-Tochter-Inzest eine zentrale Funktion in der narrativen Gestaltung, der normativen Ausrichtung, der Figuren- und der Erzählerkommunikation sowie auf Ebene der Rezeption besitzen. Dabei ist das entwickelte Instrumentarium prinzipiell offen, auch über die Inzestthematik hinausreichend Emotionen in der Literatur zu analysieren.
Die vorliegende Studie verdeutlicht die Relevanz historischer Kommunikationspragmatiken für die Poetik der Kurzerzählungen des Strickers, die am Beginn der deutschsprachigen Novellistik im 13. Jahrhundert stehen. Damit wird der in der Forschung verbreiteten Vorstellung, dass das Interesse mittelalterlicher Kurzerzählungen an sprachlichen Strukturen poetologisch zu deuten sei, eine neue Perspektive entgegengestellt. Die Erzählungen, so wird am Beispiel der in ihnen thematisierten Sprechhandlungen des Beratens, Streitens und religiösen Sprechens herausgearbeitet, loten die diesen kommunikativen Formaten zugrundeliegenden Logiken und Funktionsweisen aus. Damit entwirft die Studie nicht nur einen neuen Zugang zum Werk des Strickers oder zur Gattung der mittelhochdeutschen Kurzepik bzw. Märendichtung, sondern verfolgt zudem methodisch-systematische Fragestellungen in den Bereichen der historischen Narratologie und Medialität. Auf diese Weise leistet sie über den konkreten Untersuchungsgegenstand hinaus einen Beitrag zu zentralen Forschungsfeldern der mediävistischen Literaturwissenschaft.
While there is a long tradition of research into eddic poetry, including the poems classed as wisdom literature, much of this has approached the subject either as a primarily philological commentary or has addressed literary and thematic topics of individual or small groups of poems. This book offers a wide-ranging enquiry into the defining features of Old Norse wisdom, including the representation of wisdom in texts which cross traditional generic boundaries. It builds on recent advances in understanding of pre-Christian religion in Scandinavia, and calls on comparative and supporting work from several different disciplinary backgrounds (including literary theory, other medieval literatures and anthropology). Speaker and Authority interrogates important questions about the concept of knowledge, as well as its role in medieval Scandinavian society and its broader European cultural context.
This study conceives of Thomas Hoccleve’s Regement of Princes (1410-1413) as an essentially performative text, one that expresses its awareness of the manuscript culture in which it is so firmly rooted. The openness of manuscripts is a recurring subject in the Regement and is not only expressed through mere descriptions of, but through complex references to this manuscript context.
Performances of manuscript culture manifest themselves in several aspects of the text. The first is the narrator persona, and especially the question of how persona and text are intertwined. The second is the constantly recurring interpretation of quotes from authoritative sources that pervades the Regement. This urge to interpret is expressed both in the tradition of adding marginal glosses and in the process of subjecting the text to an exegetical reading. The third aspect is the relation between text and images in the Regement’s manuscripts, which shows how mediality is performed and how the manuscript context is made the focus of this performance. In this monograph, all of these aspects are studied in a mindset that combines the concept of performativity with the postulations of Material Philology.
Bodies and their role in cultural discourse have been a constant focus in the humanities and social sciences in recent years, but comparatively few studies exist about Old Norse-Icelandic or early Irish literature. This study aims to redress this imbalance and presents carefully contextualised close readings of medieval texts. The chapters focus on the role of bodies in mediality discourse in various contexts: that of identity in relation to ideas about self and other, of inscribed and marked skin and of natural bodily matters such as defecation, urination and menstruation. By carefully discussing the sources in their cultural contexts, it becomes apparent that medieval Scandinavian and early Irish texts present their very own ideas about bodies and their role in structuring the narrated worlds of the texts. The study presents one of the first systematic examinations of bodies in these two literary traditions in terms of body criticism and emphasises the ingenuity and complexity of medieval texts.
Der Begriff der Ambiguität stand bislang für die Rezeption der mittelalterlichen Kultur und Literatur nur vereinzelt im Fokus der Forschung. Das mag unter anderem an dem Forschungsparadigma liegen, welches Ambiguität wesentlich zu einem genuinen Epochenkennzeichen der Moderne stilisiert. Der interdisziplinär ausgerichtete Tagungsband zeigt daher unter Beteiligung von Fachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus den Bereichen Literaturwissenschaft, Geschichte, Kunstgeschichte, Lateinische Philologie und Islamwissenschaft das breite Spektrum an Diskursen und Wissenskontexten der komplexen Thematik auf. Ziel ist es, die Phänomene der Mehr- und Zweideutigkeit anhand von theoretischen Exkursen und Fallbeispielen in ihren jeweiligen kulturellen und literarischen Kontexten zu untersuchen und die vermeintliche ‚Ambiguitätsferne‘ der mittelalterlichen Kultur und Literatur auf den Prüfstand zu stellen.
Im Liebesdiskurs des Trecento und seinen bedeutendsten Texten wird ein Gesang, eine Rede inszeniert, die den Ort des Sprechens des Subjekts nicht nur spiegelt, sondern zu diesem immer schon different ist: durch eine andere, heteronome Stimme, die den Liebesdiskurs zurückwirft und reflektiert, aber in dieser Spiegelung nicht das Gleiche wiederholt, sondern zu einer zweiten Sprache der Liebe wird. Am Schnittpunkt zwischen dem Irdischen und Göttlichen hat damit die weibliche Figurenrede die Reversibilität von göttlicher Stimme und irdischer Schrift möglich gemacht, die der von den Texten behaupteten oder ihnen nachträglich zugeschriebenen Autorität und Selbstermächtigung zugrunde liegt. Davon ausgehend schreibt die Studie an einer Geschichte der Stimme, in der die poetische Macht der tre corone durch selbstlosere Stimmen zugleich unterlaufen und konstituiert wird: der Stimmen von Beatrice, Laura und Caterina da Siena, die durch den Ruhm des Autors letztlich nur unvollständig überschrieben worden sind.
Der spatial turn hat in der Mediävistik zu neuen Ansätzen in der Frage nach Raumkonzepten im Mittelalter geführt, die die Abhängigkeit des Raums von Bewegung und Kommunikation seiner Bewohner und Betrachter dominant setzen. Bislang allerdings wurde kaum differenziert zwischen der philosophischen Raumdiskussion des Mittelalters und einer spezifisch literarischen Raumgenese.
In der vorliegenden Arbeit soll dieses Desiderat geschlossen werden durch eine konsequente Engführung von Erzählakt und literarischem Raum. Der zentrale methodische Zugriff erfolgt über den virtuellen Raum: Mit Erzählraum und erzähltem Raum erschafft der performative Akt des Erzählens grundsätzlich zwei virtuelle Räume, die nur für die Dauer ihrer Kommunikation und für die daran Beteiligten existent sind. Jede höfische Erzählung entfaltet ihre Räumlichkeit innerhalb dieser virtuellen Grunddisposition, was sich auch regelmäßig innerhalb der Erzählungen widerspiegelt.
Das scheinbar moderne Konzept des virtuellen Raums kann so besonders in seinen Formen Erzählraum, musikalischer Raum und Erinnerungsraum historisiert und für eine Textinterpretation höfischer Epik im 12. und 13. Jahrhundert fruchtbar gemacht werden.
Für die Selbstbestimmung der Moderne ist kaum etwas konstitutiver als ihre Positionsbestimmung gegenüber der ‚Vormoderne‘. Deshalb bietet Mittelalterrezeption nicht allein den Nachklang mittelalterlicher Texte und Themen als Sekundärphänomen, sondern einen zentralen Diskursraum zur historischen Identitätsbildung von modernen Individuen und Kultursystemen. Im historischen Durchgang durch fünf Jahrhunderte, vom Humanismus bis zur Gegenwart und von Jörg Wickram bis zu Dan Brown, behandelt der Band Grundsatzfragen der Formen und Funktionen von Mittelalterrezeption und entwickelt dabei ein spezifisches Konzept von ‚Rezeptionskulturen‘: Neben historischen Milieus wie Humanismus, Romantik und Historismus werden dabei insbesondere die synchronen Rezeptionskulturen von Kanon und Populärkultur nebeneinandergehalten. Ist es doch auffällig, dass das Mittelalter ausgerechnet Autoren von diskursiv entgegengesetzten Enden des literarischen Feldes anzieht. Es bietet sich sowohl für Schriftsteller mit Unterhaltungsabsichten an, die Mysteriöses, Esoterisches und Drastisches suchen, wie auch für Autoren, die elitäre und gelehrte Konzepte durch Rückbezug auf ein klerikales und feudales, mithin lateinisch geprägtes Zeitalter zu füllen beabsichtigen.
Der Band vereint Beiträge zum Lachen und Schweigen als Sonderformen der Kommunikation in der Erzählliteratur des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Lachen und Schweigen nehmen auf unterschiedliche Weise Bezug auf Rede: Sie stellen das Gesagte in Frage oder bestätigen es, rahmen oder reflektieren es. Sie begrenzen aber auch das Sprechen und legen seine Wirkung fest, während sie selbst an Regeln gebunden sind. Der Band untersucht verschiedene dialogische Strategien des Lachens und Schweigens von höfischem Roman und Heldenepik bis zu Mären und Reiseberichten.
Ausgehend von der These, dass hoch- und spätmittelalterliche wissenschaftliche, pragmatische und literarische Darstellungsweisen eines Wissens von sexuellem Begehren, Geschlecht und Körper sich durch ein eigentümliches Zusammentreffen von Reden und Schweigen auszeichnen, untersucht diese Arbeit in Texten des Thomas von Aquin, Robertus de Flamesburia, Berthold von Regensburg und Albertus Magnus, in den Quaestiones salernitanae und im Sachsenspiegel sowie im Eneasroman, Nibelungenlied, Tristan und Prosalancelot die konkreten Formen und Effekte dieses Zusammentreffens, das mit dem Begriff der (Dis-)Artikulation gefasst wird. Diese unterscheidet sich durch die besondere Form der Verschränkung von Artikulation und Nichtartikulation von anderen Figuren der sprachlichen Absenz wie etwa Schweigen oder Leerstellen. Durch die Einklammerung des Dis- soll die Möglichkeit einer Artikulation gerade durch ihr Gegenteil bzw. ihre Verformung impliziert werden. Damit geht es weder um ein absolutes Schweigen noch um ein lückenloses Reden, sondern um eine dialektische Verknüpfung von Verschweigen und Besprechen, die über die Absicht, etwas nicht zu sagen, eine spezifische Form des Sprechens, die (Dis-)Artikulation, als Schweigeeffekt hervorbringt.
Das Thema „Machtvolle Gefühle“ beleuchtet die bislang wenig beachtete Verschränkung von Macht und Emotion. Dabei geht es nicht nur um die Wirkungsmacht von Gefühlen als aktives Handeln, sondern auch als passives Erleiden und Überwältigtwerden. Der vorliegende Band, Ergebnis einer internationalen und interdisziplinären Tagung, eröffnet neue Perspektiven für die künftige historische Emotionsforschung. Ein Schwerpunkt des Bandes liegt auf Beiträgen aus dem Bereich der germanistischen Mediävistik, wobei methodisch unterschiedliche Ansätze diskutiert und Schnittstellen zu anderen kultur- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen produktiv gemacht werden. Die Beiträge fokussieren emotionsgeschichtliche Prozesse des Wandels, Aspekte der Medialisierung von Emotionen in Rede, Schrift und Bild sowie die Semiotizität von Emotionsgestaltungen. Damit wird die Aufmerksamkeit auf differenzierte Machtstrukturen gelenkt, die Emotionen in Rezeptionsprozessen oder Verkörperungspraktiken entfalten können. Gefragt wird nach ästhetischen und rhetorischen Strategien, die darauf angelegt sind, den Zeichencharakter der textuellen Ebene zu ‚überspringen‘, Effekte der Unmittelbarkeit, der emotionalen ‚Ansteckung‘ und der Überwältigung zu erzeugen. Leitende Kategorien der Untersuchungen sind unter anderem Medialität, Wissen, Rezeption, Gender und Körper.
Die Studie untersucht, wie im Parzival von Gott und Religion erzählt wird. Es geht um die Bedingungen, wie in einem höfischen Text überhaupt von Gott gesprochen werden kann. Grundsätzlich versteht sich die Arbeit als ein Beitrag zum multiperspektivischen Erzählkonzept des Parzival. Ihr zentrales Anliegen ist es, die konzeptionelle Verknüpfung von Literatur und Religion als konstitutives Element des Textes darzustellen.
Hierfür setzt die Studie mit der Entwicklung eines funktionalen Religionsbegriffs an: In Anlehnung an die systemtheoretischen Überlegungen Niklas Luhmanns wird nicht nur ein Zugang zu den das höfische Erzählen bestimmenden religiösen Strukturen geschaffen, sondern zugleich auch die Eigengesetzlichkeit des höfischen Erzählens in den Blick genommen. Der Gedanke der Vermittlung von Höfischem und Religiösen auf funktionaler und semantischer Ebene des erzählenden Textes steht dementsprechend im Mittelpunkt der Untersuchung.
Ein Ergebnis der Arbeit ist, dass nicht nur religiöse Muster mit höfischen Semantisierungen gefüllt werden, sondern eben auch umgekehrt das höfische Erzählen zu einem wesentlichen Teil durch Formen religiöser Kommunikation bestimmt ist.
This book examines the audiences and languages of Dominican sermons in late medieval Italy. It is a thorough analysis of how Latinate theological culture interacted with popular religious devotion. In particular it assesses the role of vernacular theology. Eliana Corbari defines vernacular theology as a form of theology that is based neither on a Latin scholastic model nor a monastic one. It is a “third dimension” of theology which was accessible to the laity, and in particular women, through their attendance at sermons and the reading of vernacular devotional works (in this case, medieval Italian treatises and sermons). Through painstaking manuscript work, Corbari makes an excellent contribution to sermon studies, gender studies, medieval theology, and codicology. She demonstrates that Dominican friars preached to an active contingent of laywomen, usually members of confraternities, who not only attended these sermons but re-read them and also disseminated them through book production to the wider Florentine community.
Der interdisziplinäre Band widmet sich dem Verhältnis von Scham und Schamlosigkeit in Literatur und Geschichte, Kunst und Theater der Vormoderne. Obwohl die beiden Phänomene kategorial unterschiedlich gelagert sind, lassen sie sich im Rahmen eines handlungsorientierten Ansatzes produktiv miteinander verbinden, um als Aufführungsformen der Grenzverletzung untersucht zu werden. Im Mittelpunkt steht die Frage danach, wie im Prozess der sozialen Kommunikation ein kommunikativer Vorgang als Grenzverletzung markiert wird. Während die Scham körperlich sichtbar macht, was das Subjekt verbergen will, erscheint die Schamlosigkeit als ostentatives Verhalten. Das Verhältnis von Scham und Schamlosigkeit lässt sich daher als Zusammenspiel von dissimulativen und ostentativen Aufführungsstrategien betrachten, welches die Grenzverletzung performativ konstituiert.
Der Band zielt insbesondere auf vormoderne Zusammenhänge, da hier in der öffentlichen Verhandlung von Norm- und Verhaltensgrenzen noch keine strikte Trennung zwischen normativen Diskursen und institutionalisierten Rechtsverfahren einerseits und unterschiedlichen rituellen Äußerungen und spontanen face-to-face Interaktionen andererseits herrscht.
Die Disputatio ist ein Streitgespräch nach festen Regeln, das in mündlicher wie schriftlicher Form den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Universitätsbetrieb prägte und zugleich als Gattung und Interaktionsmuster Wirkungen darüber hinaus entfaltete. Dies beleuchten die Beiträge des Bandes für die Zeit von 1200 bis 1800 in mehrfacher Hinsicht: Entwicklungslinien und Merkmale der Gattung sowie deren wissensvermittelnde, soziale und konfessionspolitische Funktionen werden ebenso untersucht wie deren Verhältnis zu anderen Medien: zu deutscher Dialog- und Erzählliteratur des Mittelalters, akademischen Scherzreden, lateinischen Lehrbüchern oder deutsch-französischen Preisfragen der frühen Neuzeit.
Die Narratologie als Zweig der Literaturwissenschaft, der sich mit Erzählungen und ihren Verfahren beschäftigt, hat in den letzten zwei Jahrzehnten einen veritablen Boom erlebt. Dabei wurde ein differenziertes Instrumentarium zur Beschreibung narrativer Verfahren und Formen entwickelt. Anders aber als die Intertextualitätstheorie, die ursprünglich in der Auseinandersetzung mit einem spätmittelalterlichen Text entwickelt wurde, hat die Narratologie ihre Theoriebildung mit wenigen Ausnahmen an der neueren und neuesten Literatur betrieben. Aus mediävistischer Sicht stellt sich daher die Frage, ob und wie dieses Instrumentarium auch auf ältere Texte zu übertragen ist. Wenn es eine Modernitätsschwelle in der Literatur gibt, dann könnte die Geltung deskriptiver Begriffe an ihr halt machen, und eine Verwendung dieser Begriffe über die Schwelle hinweg könnte die bloße Illusion erzeugen, dass es vorher schon etwas gab, was den modernen Phänomenen gleich kommt.
Die Beiträger des vorliegenden Bandes treten aus germanistischer, romanistischer und anglistischer Perspektive in einen Dialog. Sie bieten ein breites Spektrum an Antworten, das einen Überblick über zentrale Probleme einer historischen Narratologie bietet.
The volume assesses performative structures within a variety of medieval forms of textuality, from vernacular literature to records of parliamentary proceedings, from prayer books to musical composition. Three issues are central to the volume: the role of ritual speech acts; the way in which authorship can be seen as created within medieval texts rather than as a given category; finally, phenomena of voice, created and situated between citation and repetition, especially in forms which appropriate and transform literary tradition. The volume encompasses articles by historians and musicologists as well as literary scholars. It spans European literature from the West (French, German, Italian) to the East (Church Slavonic), vernacular and Latin; it contrasts modes of liturgical meditation in the Western and Eastern Church with secular plays and songs, and it brings together studies on the character of ‛voice’ in major medieval authors such as Dante with examples of Dante-reception in the early twentieth century.
Die Arbeit untersucht die unterschiedlichen Perspektiven der Generationen-Thematik anhand von vier Texten der spätmittelalterlichen Heldenepik („Kudrun“, „Großer Rosengarten“, „Biterolf und Dietleib“, „Hürnen Seyfrid“), deren gemeinsamer Referenzrahmen das „Nibelungenlied“ unter besonderer Berücksichtigung der Figur Kriemhilds ist. Vor dem Hintergrund genealogischer, familiengeschichtlicher, gender-spezifischer und gattungstheoretischer Überlegungen werden die jeweiligen familialen Generationenbeziehungen innerhalb der Texte analysiert. Jene intratextuellen Beobachtungen stehen zugleich in einem intertextuellen Zusammenhang, der die „genealogischen“ Beziehungen zum „Nibelungenlied“ sowie zu weiteren verwandten Stoffkreisen thematisiert. Damit fungieren die Diskurse von Familie, Verwandtschaft und Genealogie auch als textübergreifende zentrale Ordnungsmuster. Aus synchroner Perspektive avancieren die vier untersuchten Texte zu einer neuen Text-Generation, die den Abstand zu den alten mæren des „Nibelungenliedes“ deutlich macht. Die Arbeit ist ein Beitrag zur jüngst auch in der Mediävistik geführten Diskussion über das Konzept der Generation.
In der europäischen Literatur des Mittelalters kommt einerseits die Lyrik immer wieder ins Erzählen, andererseits können Erzählungen auf unterschiedliche Weise lyrische Qualitäten annehmen. Solche generischen Interferenzbeziehungen verweisen auf ein Problem, dem in aktuellen literaturtheoretischen Debatten verstärkte Aufmerksamkeit zukommt: der paradoxen Wechselbeziehung von narrativer Struktur und lyrischer Qualität. Die Beiträge des Bandes erörtern zum einen theoretische Grundbegriffe und Positionen zum Verhältnis von Lyriktheorie und Narratologie; zum anderen skizzieren sie an Fallbeispielen aus der europäischen Literatur des Mittelalters unterschiedliche Möglichkeiten der Narrativierung im Bereich der Liebeslyrik. Im Gegenzug wird vor allem anhand von Beispielen der mittelhochdeutschen Erzählliteratur nach Formen und Funktionen narrativer Lyrismen gefragt. Diese Fragestellung führen die Beiträge des Bandes abschließend in den Bereich des mystischen Schrifttums ein.
In komparatistischer und zugleich transgenerischer Perspektive werden damit Spielarten eines historisch praktizierten Lyrikbegriffs verfolgt und kritisiert, der sich als generisches Komplement zu narrativer Dynamik versteht. Ein solcher Lyrikbegriff erweist sich nicht nur als Herausforderung für die aktuelle Literaturtheorie, seine literatur- und medienhistorischen Konsequenzen sind auch geeignet, bisherige literaturhistorische Paradigmenbildungen aufzulösen.
Die Arbeit untersucht die volkssprachliche Entwicklung des Philomela-Mythos vom 12. bis zum 16. Jahrhundert anhand einer Auswahl deutscher und französischer Texte. Dabei betrachtet sie ebenfalls die Philomela Ovids sowie ihr Nachwirken innerhalb der mittelalterlichen Adaptationen. Der erste Teil der Arbeit widmet sich theoretischen Fragen des Verhältnisses von Mythos und Literaturwissenschaft. Dabei wird der französischsprachigen Forschung und dem Verfahren der „Mythocritique“ ein besonderer Platz eingeräumt. Diese macht die Präsenz mythischer Elemente innerhalb eines Textes zum Ausgangspunkt ihrer Analyse und hebt die Wechselwirkung von Mythenrezeption und Kultur hervor. Die literarischen Einzeluntersuchungen, die den zweiten Teil der Arbeit bilden und einen rezeptionsästhetischen Ansatz verfolgen, werden ergänzt durch eine Untersuchung der inhaltlichen Knotenpunkte des Mythos, die trotz Varianz innerhalb der einzelnen Texte bestehen bleiben. Im Gegensatz zur Mehrheit der literaturtheoretischen Publikationen wird dabei die Historizität der jeweiligen Aktualisierungen und deren Umgang mit der bestehenden Tiefenstruktur des Mythos betont.
Riten, Gesten und Zeremonien avancierten jüngst zu zentralen Gegenständen im kulturwissenschaftlichen Zugriff auf vormoderne Gesellschaften. Trotz analoger Fokussierung der verschiedenen historisch arbeitenden Disziplinen herrscht dabei eine große Vielfalt unterschiedlicher Ansätze. Der vorliegende Band führt die Fruchtbarkeit einer Fokussierung auf ritualisiertes Handeln, den Gebrauch von Gesten und zeremonielle Vorgänge durch exemplarische Studien aus verschiedenen Disziplinen vor. Zur Sprache kommen u.a. Vertreterinnen und Vertreter der Geschichts-, Theater-, Religions- und Literaturwissenschaft, aber auch Theologen und Kunsthistorikerinnen. Die Beiträge bieten damit ein breites Panorama des Einsatzes von Riten, Gesten und Zeremonien als Mittel zur Herstellung und zum Ausdruck sozialer Ordnung. In drei thematischen Blöcken zu Liturgie, Recht und Politik fassen Fallstudien Prozesse von Sinnstiftung durch rituelles Handeln und gestisch-symbolische Kommunikation. Die Unterschiedlichkeit der Zugriffe führt zugleich exemplarisch die je eigenen Instrumentarien und Erkenntnismöglichkeiten der beteiligten Disziplinen vor.
Der vorliegende Sammelband verortet sich im Schnittpunkt einer Technik- und Materialgeschichte der Kommunikation, einer historischen Medienforschung, einer Geschichte der Gefühle sowie der Geschlechtergeschichte. Die Zeit des 11. bis 15. Jahrhunderts ist die Zeit der „Verschriftung“ der europäischen Kultur, der Verschriftlichung der Volkssprachen und des Eindringens der Schrift in die Bereiche von Verwaltung, Rechtswesen und Herrschaftsausübung. In diesem Kontext stellt sich die Frage, inwiefern die sich in diesem Prozess herausbildenden Liebeskonzepte durch die Schriftkultur geprägt sind. Dabei wird nicht nur die Materialität und Pragmatik des Mediums in den Blick genommen (Schreibmaterialien und Schrifthandeln), sondern genauso das mediale Konzept (Schrift als Medium der Abstraktion, als Distanzmedium, als Verfestigungsmedium, als Medium des Auges und der Anschaulichkeit) und die Schrifttradition. Der Band weist exemplarisch auf die zentrale Bedeutung der Mediengeschichte für die historische Emotionalitätsforschung hin und ist insofern auch Teil einer noch zu schreibenden Mediengeschichte der Emotionen.
Dass das Konzept der Ästhetik erst im 18. und 19. Jahrhunderts ausformuliert wird, enthebt die Altgermanistik nicht der Notwendigkeit, ihren Gegenstand, die mittelalterliche Literatur, auf die Dimensionen des Ästhetischen hin zu befragen. Dabei liegen die entscheidenden Fluchtpunkte freilich jenseits der Wege, welche die philosophische Ästhetik gebahnt hat. So gehen einige der vorliegenden Aufsätze dem Verhältnis des Ästhetischen zur Religion und zur Rhetorik nach. Andere arbeiten an den literarischen Texten selbst, vor allem an solchen der höfischen Epik und Lyrik, und suchen nach denjenigen Begriffen und Darstellungsmodi, die Auskunft über die Ästhetik mittelalterlicher Literatur zu erteilen vermögen. Alle liefern sie Bausteine zu einer ‚Ästhetik der Alterität‘, die dann auch zur Reflexion auf klassische (literar-)ästhetische Konzepte wie das der Autonomie auffordert.
Die geistlichen Spiele, die in vielen europäischen Kulturen des Mittelalters bis in die Moderne nachweisbar sind, stehen in engem Zusammenhang mit Frömmigkeitspraktiken und beziehen ihre Sujets aus dem Kult, aus der Bibel und Legenden. Die Beiträge des interdisziplinären Sammelbandes nehmen geistliche Spiele als cultural performances und Teil einer multimedialen Frömmigkeitspraxis in den Blick. Sie fragen nach ihrer Stellung in der mittelalterlichen Alltags- und Festkultur, nach der Relation von Geistlichem und Weltlichem und nach der Inszenierung von kulturellen Ordnungsmodellen in den Spielen.
Der Band widmet sich der historischen Semantik poetologischer Selbstbezeichnungen der deutschen Literatur des Mittelalters (âventiure, schrift, rede, buoch, tihtaere etc.). Er begreift ihre viel berufene Vagheit als Chance, zentralen Aspekten der mittelalterlichen Literaturauffassung sowie historischer Werk- und Autorkonzepte über ihre zeitgenössische Bezeichnungspraxis näher zu kommen.
Die Studie setzt sich kritisch mit der bisherigen Textkritik und Editionsphilologie auseinander und entwickelt anhand der "Parzival"-Handschrift Cgm 19 und der "Tristan"-Handschrift Cgm 51 die These, dass jeder mittelalterliche Überlieferungszeuge seine eigene Wertigkeit besitzt und zeitgebundenes kulturelles Wissen repräsentiert, was nur erkannt werden kann, wenn divergierende Handschriften nicht nur als defizitäre Varianten eines ursprünglichen ‚Textoriginals' verstanden werden. Baisch bestimmt die Genese, den Status und die Funktion von Textvarianten in der mittelalterlichen volkssprachlichen Überlieferung mittels einer Analyse historischer Gebrauchszusammenhänge neu und führt Edition und Interpretation methodisch zusammen. Er versteht Textkritik als Funktionsgeschichte der Überlieferung mittelalterlicher Texte. Die Arbeit ist ein wichtiger Beitrag zur derzeit lebhaft geführten Debatte über Prinzipien der modernen Editionsphilologie und den mittelalterlichen Textbegriff.
Die Studie leistet eine Grundlegung der kulturanthropologischen Erforschung der Abbildung von Trauer in der deutschen Literatur des Mittelalters. Sie untersucht, wie das Phänomen der Trauer in fiktionalen Texten emotionstheoretisch definiert und operationalisiert werden kann, und verbindet Emotionstheorie mit Performanzkategorien, d. h. mit dem heutigen Wissen über Ritual und Öffentlichkeit im Mittelalter. Inszenierung und Funktion von Trauer werden in Wolframs ‚Willehalm', Hartmanns ‚Erec' und Gottfrieds ‚Tristan' eingehend untersucht. Die Arbeit ist wegweisend und verbindet Kulturwissenschaft mit analytischer Textarbeit. Allen künftigen Arbeiten zu Trauerdarstellungen in der mittelalterlichen Literatur bereitet die Arbeit ein anschlussfähiges methodisches Fundament.
Elke Koch wurde für diese Arbeit am 14. Dezember 2005 mit dem jährlichen Tiburtius-Preis für die beste Berliner Dissertation ausgezeichnet.
Der Band widmet sich der Diskussion um den Textbegriff der germanistischen Mediävistik, die seit einigen Jahren intensiv geführt wird, denn im Zuge neuer editionsphilologischer, narratologischer und medientheoretischer Erkenntnisse ist der Text des Mittelalters zu einer offenen, methodisch schwer greifbaren Größe geworden. Besonders die Impulse der "New Philology" haben neue Fragen nach der Produktion und Konstitution mittelalterlicher Texte aufgeworfen und deren spezifische Textualität in den Kontext einer dynamischen, unfesten Überlieferung gestellt.
Der Band versammelt Beiträge namhafter deutscher und britischer Mediävisten, die die theoretische Diskussion bilanzieren und ihren methodischen Ertrag exemplarisch auf Texte des Früh-, Hoch- und Spätmittelalters anwenden. An einem repräsentativen Textkorpus, das von Otfrieds "Evangelienbuch" bis zu den Meistersingern reicht, wird der derzeitige Wissensstand über Verfahren der Textproduktion, das Selbstverständnis der Autoren, die Medialität der Textvermittlung und die Strategien der Textstrukturierung und Kohärenzstiftung neu konturiert.
Mittelalterfilme imaginieren eine Zeit, die gleichzeitig fremd und vertraut ist. Sie suchen im Vergangenen das Gegenwärtige, entwerfen farbenprächtige Tableaus und erproben neue filmische Ästhetiken. Der vorliegende Band bietet eine systematische Einführung in das Genre und eine Präsentation wesentlicher Filme durch namhafte Wissenschaftler.
Mittelalterliche und frühneuzeitliche Schreiber, Maler, Illustratoren, Übersetzer und Autoren hatten offenbar spezifische Vorstellungen von Vorlagentreue; ihre Übertragungsleistungen wirken auf den modernen Betrachter nicht selten ungenau und eigenwillig. Aber es wäre zu einfach, von einer 'typisch mittelalterlichen' Art des Reproduzierens zu sprechen: Die Beiträge dieses Bandes zeigen, dass nur ein differenzierender Zugriff auf die verschiedenen Formen und Konzepte von Reproduktion in Mittelalter und Früher Neuzeit sinnvoll ist.
Aus der interdiszplinären Anlage dieses Bandes ergibt sich ein komplexes Bild, das die Andersartigkeit mittelalterlicher 'Übertragungen' erkennbar werden lässt, gerade weil es die Eigenart des jeweiligen Falles ins Kalkül zieht. Der Band versteht sich als ein Schritt hin zu einer Kulturgeschichte des Reproduzierens. Alle Beiträge sind mit englischen Zusammenfassungen versehen.
Das Lachen gilt zwar seit Sigmund Freud als "sozialer Vorgang", doch ist es in seinem Verlauf und seiner kommunikativen Wirkung bisher kaum untersucht worden. Gemeinsames Gelächter grenzt aus, stiftet Gemeinschaft, beeinflusst politische Entscheidungen und motiviert literarische Inszenierungen. Der interdisziplinäre Band versammelt 16 Beiträge zu historischen "Lachgemeinschaften" in Literatur, Geschichte, Kultur und Theater des Mittelalters und der Frühen Neuzeit.
Der Leser einer Kunstbeschreibung (Ekphrasis) ist bei der Lektüre einem ständigen Oszillieren zwischen Text und Bild ausgesetzt. Die vorliegende Untersuchung geht anhand verschiedener Beispiele den Einsichten nach, die die mittelalterliche Literatur ihren Lesern eröffnet, indem sie immer wieder Bild- und Architekturbeschreibungen in den linearen Fluss narrativer Texte einschaltet. Die Arbeit versucht, eine Geschichte der Ekphrasis zu rekonstruieren, die sich vom antiken Epos bis zum nachklassischen höfischen Roman im ausgehenden 13. Jahrhundert erstreckt.
Vor allem drei Konzepte leiten die Argumentation: die Analyse literarischer Kunstbeschreibungen als Memorialbilder, als Spiegelungen des Visuellen im Verbalen bzw. der Makro- in der Mikroerzählung sowie als virtueller Schauraum.
Der Band versammelt Aufsätze zum Thema "Mythos im Mittelalter" und macht die theoretischen Diskussionen um den Mythosbegriff für die Germanistische Mediävistik fruchtbar. Er gliedert sich in drei Abschnitte, die für methodische Zugänge einstehen: I. Mythos und Christentum, II. Mythos und Erzählung, III. Mythos und Präsenz. Ergebnis ist, dass das Mittelalter auf verschiedenen Ebenen (narrative) Strategien entwickelt hat, mit mythischen Gehalten umzugehen
Der historischen Emotionalitätsforschung gilt derzeit ein allgemein gesteigertes Interesse. Der zweisprachige Band, Ergebnis einer internationalen Tagung, diskutiert aktuelle Paradigmen und Perspektiven der literaturhistorischen Erforschung der Emotionen und schärft den Blick für die Medialität von Gefühlskulturen im geschichtlichen Wandel. Die Diskussion methodologischer Fragen bietet interdisziplinäre Anschlussmöglichkeiten.