Jüdische Religion, Geschichte und Kultur
Die Studie setzt sich mit Synagogen – Sakralbauten, Veranstaltungsorte und Ausdruck politischen Willens – auseinander, um neue Perspektiven auf die Geschichte der Juden in Deutschland von 1945 bis zur Gegenwart zu eröffnen.
Sie behandelt eine Zeit, in der die jüdische Existenz in Deutschland nach dem Holocaust neu verhandelt werden musste. Ein Teil dieses Verhandelns fand im öffentlichen Raum, und zwar namentlich auch in der Synagoge statt, wodurch diesem Ort nicht nur eine besondere religiöse sondern auch eine politische sowie kulturgeschichtliche Bedeutung zukommt.
Die Gotteshäuser der jüdischen Gemeinden seit 1945 werden vollständig erfasst – von den ersten provisorisch eingerichteten Betsälen bis hin zu prächtigen Neubauten der letzten Jahre – und treten erstmals als zusammenhängende Quelle zur jüdischen Geschichte im Nachkriegsdeutschland auf. Dabei beleuchtet das Werk die Synagogen nach den Dimensionen Raum (Architektur), Zeit (Terminierung) und Handlung (Einweihungsfeiern – Gestaltung und Redebeiträge).
Bau und Einweihung einer Synagoge mussten immer auf die Frage antworten: Wie ist die bewusste Fortsetzung jüdischen Lebens im vormaligen Land der Täter zu rechtfertigen? So rückt neben der Bautätigkeit der deutsch-jüdischen Gemeinden auch ein allgemeiner Diskurs – die Selbstdarstellung und Ausdrucksweise der jüdischen Gemeinden und anderer jüdischer und nichtjüdischer Akteure im öffentlichen Raum – in den Fokus.
Leserinnen und Leser kennen Lyrik vor allem aus Anthologien. »Jüdische Lyrik« wird dabei meist mit der Dichtung von Shoah-Überlebenden assoziiert. Jüdische Herausgeber sammelten jedoch schon viel früher jüdische Dichtung. Den Anspruch, für eine Gruppe zu sprechen und damit ihr Bild in der Öffentlichkeit mitzubestimmen, machte die Gattung Anthologie nicht nur für literarisch Ambitionierte attraktiv, sondern auch für unterschiedliche politische Gruppen. Unter Titeln wie »Junge Harfen« (1903), »Lyrische Dichtung deutscher Juden« (1920) oder »Jüdische Volkslieder« (1935) versuchten Kulturzionisten, eigenständige jüdische Dichtungstraditionen zu etablieren. Doch auch alternative kulturpolitische Konzepte wählen die Anthologie als Mittel, wie etwa in Julius Moses‘ Anthologie »Hebräische Melodien« (1920), die das Jüdische über das Thema und nicht die Herkunft bestimmt. Einige jiddischsprachige Anthologien schlugen einen ähnlichen Weg ein: Sie versuchen, eine nationale jiddische Dichtung zu etablieren, indem sie auf die von Herder zurückgeführte Idee von in der Volksdichtung verwurzelten Nationalliteraturen setzen. Die Anthologie zeigt sich dabei nicht nur als Publikationsform, sondern auch als literarische Gattung mit einem dezidierten Bewusstsein über ihre Geschichte. Carmen Reichert zeigt, dass Anthologien nicht nur als ein zu Unrecht vernachlässigter Teil unserer Literaturgeschichte anzusehen sind, sondern auch als wichtige historische Dokumente einer um ihr kollektives Wesen und dessen Darstellung nach außen ringenden Gemeinschaft.
Die Untersuchung des Engagements von Juden in der Wiener Populärkultur um 1900 ist ein in der Forschung bisher vernachlässigtes Vorhaben. Daher widmet sich Klaus Hödl eingehend ausgewählten Aspekten jüdischer Beiträge in der Unterhaltungskultur um 1900 und legt seinen Schwerpunkt auf jüdische Volkssänger und Varietés. Die zentrale Aussage des Manuskriptes ist, dass die sogenannte Populärkultur in Wien um 1900 von Juden und Nichtjuden gemeinsam gestaltet wurde. An einer Reihe konkreter Beispiele zeigt Hödl auf, dass die Kooperationen zwischen ihnen mannigfaltig und ihre Beziehungen auch auf privatem Gebiet sehr eng waren. Trotzdem gab es aber auch Antisemitismus. Allerdings scheint er weniger ausgeprägt und radikal als in anderen gesellschaftlichen Bereichen gewesen zu sein. Jüdische Volkssänger reagierten auf ihn, indem sie einerseits die Grundlage für eine ethnische und kulturelle Zugehörigkeit im performativen Engagement anstatt in Herkunft und Abstammung sahen. Andererseits schrieben sie jüdische Existenz in die Vergangenheit ein. Sie bemühten sich mit anderen Worten um das gegenwärtig sehr populäre Konzept der shared oder entangled history.
Der Kampf um die Bibel zeigt die Wurzeln des interpretativen Konflikts um die Hebräische Bibel / das Alte Testament, das gemeinsamer wichtiger heiliger Text aller Abrahamitischen Religionen ist. Insbesondere werden die aus den Kämpfen resultierenden Kontroversen in der jüdischen Literatur wiedergegeben. Im Fokus stehen vor allem jüdische Quellen aus der späten Zweiten Tempelzeit über das Hohe Mittelalter und dem Beginn der Frühen Neuzeit. Ferner wird gezeigt, wie das Studium der Heiligen Schriften nach der Zerstörung des Zweiten Tempels zur Grundlage des jüdischen Lebens in seiner konfliktreichen Geschichte geworden ist.
Although Gershom Scholem presented his life in his autobiography as a one way movement from Berlin to Jerusalem, a closer look in mainly unpublished documents reveals a different picture. Since the moment of his arrival in Palestine in 1923 and until his death in 1982 he remained in close contact to the German speaking cultural and intellectual worlds. In the 1920ies and 1930ies he contributed to the Hebrew and Jewish cultural circles in Berlin, and even after the shock of the Holocaust he gradually returned to shorter and longer visits in Germany. In the postwar Federal Republic Scholem played a central role as a moral authority, who offered an alternative for young intellectuals to their corrupted father’s generation. By doing so, the German-Israeli intellectual served as a generational link, bridging over the abyss created by the Holocaust. For Scholem himself this “return” was the outcome of a long process of disillusionment with his Zionist utopia.
Barbara Rösch bringt erstmals das bislang von der Forschung übersehene Toponym Judenweg und seine sinnverwandten Formen, nämlich die Judenpfade, -gassen, -steige, aber auch die Judenbäume, -brunnen und -steine zum »Sprechen«. Die erstmalige Erforschung jüdischer Alltagsgeschichte aus dem Blickwinkel der Flurnamenforschung bringt neue Erkenntnisse über die Kulturgeschichte des ländlichen, vor allem des bayerisch-fränkischen Judentums vom 17. bis zum frühen 20. Jahrhundert ans Licht. Dies betrifft insbesondere Details jüdischen Alltagslebens, Lebensbedingungen und Mobilität, aber auch die Hindernisse, die den jüdischen Landgemeinden beispielsweise auf ihrem Weg zu Märkten und Kunden aber auch zu den Friedhöfen durch die staatlichen Obrigkeiten bereitet worden sind, etwa Ortsbetretungsverbote, erzwungene Ortsumgehungen und spezifische Zollbestimmungen für Juden (Leibzoll, Brautzoll, Totenzoll). Viele Judenwege und sinnverwandte Toponyme erwiesen sich als »Orte des Todes« – dort fanden Pogrome statt, wurden Juden verfolgt, ausgeraubt, sogar ermordet. Die Erinnerung daran besteht vielfach nur durch die mündliche Tradierung dieser Namen.
Eine sommerliche Kulturgeschichte des modernen jüdischen Lebens in Europa!
Die westböhmischen Badeorte Karlsbad, Marienbad und Franzensbad galten lange als sommerliche Zentren jüdischen Lebens. Nicht nur das deutsche und österreichische Bürgertum reiste dorthin, auch chassidische, bürgerliche und mittellose Juden aus Osteuropa kamen alljährlich zur Kur. Diese heterogenen jüdischen Kulturen entwickelten in der zeitlichen und räumlichen Begrenztheit des Aufenthalts und des intimen sozialen Klimas des Kurorts außergewöhnliche Wahrnehmungs- und Kommunikationsräume. Mirjam Triendl-Zadoff untersucht diese und zeigt wie sich in den Sommern vom späten 19. Jahrhundert bis in die 30er Jahre temporäre »jüdische Orte« etablierten, die zu kulturellen Zentren des jüdischen Lebens in Europa wurden.
In seinem Werk »Zwei Völker in deinem Leib« beschreibt Israel Jaboc Yuval die gegenseitige Wahrnehmen von Juden und Christen in Spätantike und Mittelalter. Dies ist die deutsche Übersetzung.